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Schwäne und Krähe, Holzschnitt, 1933
Heinz
Kiwitz über sich selbst:
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Breitmäulige
Rinder liegen faul und kauend in Gras, Klee und gelben Blumen. Lang und
schwer liegen die saftigen und grünen Wiesen. Hindurch strömt
der Rhein. Gemächlich und selbstbewußt fließt das graugrüne
Wasser dem Meere zu, rund herum die endlose Weite der platten Landschaft. Die Eindrücke des heimatlichen Niederrheins wurden bestimmend für die ersten Jahre meiner beruflichen Laufbahn. Es war ein großes Glück, daß ich sie bei Professor Rössing begann. Er lehrte mich mit seiner großen Eindringlichkeit die Sparsamkeit der Mittel: die einfache klare Sprache des Holzschnitts passte wunderschön zu der naiven Wucht des Niederrheins. Es drängte mich zur Belebung und zur Auflockerung dieser satten Landschaft. Da ließ der Flame Timmermans faßbar vor mir erstehen, wozu die immer lebendiger und gewagter werdenden Kurven des Stichels drängten. In den "Pallieter" plumpste ich hinein, wie, um mich mit Pallieter auszudrücken, in einen Bottich mit Honigseim, und ich begann, wohlig darin herumzuschlecken. Da war ein wonnigliches stetes Blühen in Gräsern und bunten Blumen, riesengroße schnaufende Pferde galoppierten einher, bunte satte Kühe schauten treuherzig drein, dralle Mädchen badeten kichernd hinter grünem Gebüsch, und selig grinsende Narren haschten nach Blumen und Schmetterlingen. All das war übergossen von strahlendem gelben Sonnenlicht. Und wenn Pallieter mit seiner Freundin nach dem Regen spazieren ging, dann atmeten Erde und Wiese einen starken Wohlgeruch aus. Die Glockenblumen hörte man läuten und alles ging ein in ein großes seliges Lachen. O ja, das war schön, dieses Paradies der Kindheit, aber doch nur Paradies der Kindheit. Man kam heraus, und was war denn da schon zum Lachen? Ich sah den erbitterten Kampf der sozialen Mächte der heimatlichen Industriestadt, sah Hunger, Elend und Brutalität. Ich sah und las die Arbeit der Dichter und Maler, und er war doch so bitter, bitterernst, dieser stete Kampf, in dem Körper und Geist um ihre Forderungen lagen. Das war mir Ansporn, von der Freude an den schönen Dingen in den Ursprung des Geschehens hineinzugehen. Das gefiel mir besser. Obwohl es viel weniger schön war, so war es doch in einem größeren Sinne befriedigend. Ich versuchte zu zeigen, wie Menschen, Tiere und Pflanzen von einem selben Lebensstrom durchpulst sind, in gleichem Schlage ihr Leben und Denken steht und fällt; wie Sanftheit, Hoheit, Güte und Freude Menschen, Tieren und Pflanzen gleicherweise in den Gesichtern abzulesen sind. Daß in dem kleinen Tierchen und in den Keimen der Pflänzchen genau die Welten voll großer Form und Schönheit stecken wie in einer umfassenden Landschaft, versuchte ich mit einfachen Mitteln sinnfällig darzustellen. Wenn ich heute an farbigen Darstellungen zu Lessings Tierfabeln arbeite, so wiederum, weil seine Geschöpfe, Menschen, Tiere und Götter, Träger und Verteidiger der ewigen klaren Wahrheit sind, nach deren Gesetzen jedes Lebendige lebt, wenn widerwillig, so doch leben muß. (Aus "Das Zelt", München 1935 - 10. Jahr - Heft 2) |
Der verlorene Sohn, Holzschnitt, 1933